Die Monats- und Jahrestickets für Schüler:innen und Azubis in Kiel werden um rund 30 Prozent günstiger, der Preis für den Einzelfahrschein fällt von 2,70 Euro auf 2,40 Euro. Für die Kieler Sozialdemokratie war die Preissenkung bei den Monats- und Jahrestickets besonders wichtig. Denn die Frage, die wir uns alle stellen ist: Wie gelingt es, den ÖPNV attraktiver und gerechter zu gestalten? Als Sozialdemokratie wollen wir eine solidarische Verkehrswende, die das Klima schützt und Menschen Mobilität ermöglicht, die sich diese nicht oder nur schwer leisten können.
Dass wir weniger Treibhausgase ausstoßen dürfen, ist bekannt. Auch der Verkehr muss hier seinen Beitrag leisten. Das bedeutet aber auch, dass wir weniger mit dem Auto unterwegs sein können. Busfahren ist Klimaschutz. Doch Busfahren muss man sich auch leisten können.
Günstige oder besser günstigere Tickets für Bus und Bahn sollen daher ein Beitrag zur Verkehrswende und damit zum Klimaschutz sein. Das sogenannte Ein-Euro-Ticket (genauer: ein 365-Euro-Jahresticket) wird seit langem gefordert. Einige wollen gar einen kostenlosen ÖPNV. Studien zeigen aber, dass der Preis nicht der entscheidende Faktor ist, damit Menschen vom Auto in den Bus wechseln. Irgendwie erscheint das auch einleuchtend, denn was hilft mir selbst der kostenlose Bus, wenn er in meinem Stadtteil nicht fährt? Und ist es ein Beitrag zum Klimaschutz, wenn Radfahrer:innen in den Bus umsteigen?
Sicher, der Preis ist ein nicht unerheblicher Faktor, der vom Busfahren abhalten kann. Denn wenn ich mir den Bus nicht leisten kann, ist es egal, wie attraktiv das Angebot ansonsten ist. Doch das Angebot bereitzuhalten kostet: die Fahrzeuge, das Personal und der Kraftstoff kosten Geld. Der öffentliche Nahverkehr ist ein Zuschussbetrieb. Hohe Preise sind keine böse Absicht oder gar ein Zeichen, dass die Verkehrswende nicht gewollt ist. Vielmehr sind sie ein Ausdruck mangelnder finanzieller Mittel vieler Kommunen. Da hilfet es auch nicht darauf zu verweisen, dass der Bund an anderer Stelle Milliarden für den Kfz-Verkehr ausgibt. Kommunen müssen sich daher häufig entscheiden: Senke ich den Preis oder verbessere ich das Angebot – und häufig sind die Mittel so knapp, dass der Preis steigen muss, um das Angebot nicht zu verschlechtern.
Das Angebot verbessern
Ein attraktiver Busverkehr braucht eine hohe Taktung, ein dichtes Netz und ausreichend Fahrzeuge und insbesondere Fahrer:innen. Jede Maßnahme, die ein solches Ziel erreichen will, kostet Geld. Dazu fordern auch die Busfahrer:innen berechtigtertweise mehr Geld. Auch aus diesen Gründen, ist der ÖPNV immer teurer geworden. Neue Linien, Schnellbusse, ein Nachtfahrplan – all diese Veränderungen kosten Geld. Trotz politischem Willen ist es schwer, die Preise zu senken und gleichzeitig das Angebot zu verbessern. Effektiver Klimaschutz braucht daher ein Ausbau des Busnetzes und eine Verdichtung des Angebots. Dabei gehört zu einer solidarischen Verkehrswende, dass wir auch wieder stärker die Stadtteile anbinden, die derzeit nur eine geringe Anbindung haben.
Die Kommunalpolitik steht häufig vor der Entscheidung: Preise senken oder das Angebot ausbauen. Wenn Preissenkungen aber dazu führen, dass das Angebot sich nicht verbessert, gleichzeitig aber zweifelhaft ist, ob wirklich mehr Menschen vom Pkw in den Bus steigen, dann stellt sich die Frage, ob Preissenkungen dem Klimaschutz wirklich helfen.
Ein kompliziertes Geflecht
Preissenkungen sind nicht einfach umzusetzen. Grund dafür ist nicht nur, dass häufig schlicht das Geld fehlt, sondern auch das die Stadt Kiel Mitglied bei Nah.SH ist. Die Nah.SH ist ein Verbund von Städten und Gemeinden sowie des Landes Schleswig-Holsteins. Die Mitarbeiter:innen organisieren Fahrpläne, treiben den Ausbau der Infrastruktur voran und sorgt etwa für digitale Angebote. Wichtiger Bestandteil ist der landesweite einheitliche Tarif (SH-Tarif). Das macht es für die Kund:innen einfach, da sie nur ein Ticket kaufen müssen, auch wenn sie in der nächsten Gemeinde umsteigen. Schwieriger wird es aber, wenn eine Kommune alleine die Preise senken will. Sie muss dann die Differenz an die Nah.SH ausgleichen. Insgesamt ist das ganze Verfahren noch etwas komplizierter, es soll aber an dieser Stelle reichen.
Preissenkungen als sozialpolitische Maßnahme
Als Sozialdemokratie wollen wir eine solidarische Verkehrswende. Unsere Maßnahmen sollen nicht nur dem Klimaschutz dienen, sondern gleichzeitig ein Beitrag zur sozialen Mobilität darstellen. Und sozialpolitisch machen Preisvergünstigungen durchaus einen Unterschied . Eine solidarische Verkehrswende beschränkt die Menschen nicht in ihrer Mobilität, sondern sorgt dafür, dass mehr Menschen an Mobilität teilhaben können. Auch entlasten wir Menschen, die derzeit auf den Bus angewiesen sind.
Wir sehen in Ticketvergünstigungen also vor allem ein sozialpolitisches Mittel. Für den Klimaschutz halten wir es für wichtiger, dass wir das Angebot ausweiten. Nichtsdestotrotz sind Vergünstigungen natürlich auch ein Baustein auf dem Weg zu einem klimaschonenden Verkehr.
Fokus Monats- und Jahresticket
Fokusiert haben wir uns auf die Monats- und Jahrestickets. Dadurch werden insbesondere die begünstigt, die regelmäßig mit dem Bus unterwegs sind. Wer ein Monatsticket kauft, fährt häufig – und wer das Monatsticket erstmal bezahlt hat, wird es auch nutzen. Daneben bekommen wir so eine gewisse Planungssicherheit. Wir werden schnell erkennen, ob zusätzliche Monats- und Jahrestickets gekauft werden und das Angebot anpassen. Bei Tagestickets bedarf dies einer längeren Beobachtung. Jede Umstellung in der Preisstruktur kann auch zu verändertem Nutzungsverhalten führen. Und auf dieses muss reagiert werden, etwa mit neuen Bussen und mit zusätzlichem Personal. Trotzdem werden wir auch die Einzelfahrscheine vergünstigen. Dies war ein besonderer Wunsch unserer Kooperationspartnerinnen. Wir hätten lieber die Monats- und Jahrestickets noch stärker vergünstigt oder bereits das Sozialticket auf den Weg gebracht, können den Kompromiss aber gut mittragen.
Schritt für Schritt
Die mangelnden finanziellen Mittel zwingen uns, schrittweise vorzugehen. Wichtig dabei war uns, dass eine Reduzierung spürbar ist. Niemand kauft sich ein Monatsticket, das wenige Cent günstiger wird. Kaum einer merkt es, wenn am Ende des Jahres zehn Euro gespart sind.
Wir haben uns entschieden, dass wir zunächst die Schüler:innen und Azubi-Tickets vergünstigen. Gerade Familien sind besonderen finanziellen Belastungen ausgesetzt, Alleinerziehende besonders von Armut bedroht. Daneben haben Schüler:innen in der Regel kein eigenes Auto, auch unter Azubis dürfte der Anteil allein aufgrund der finanziellen Situation unterdurchschnittlich sein. Nebenbei kann ein vergünstigtes Schüler:innenticket vielleicht auch ein Beitrag gegen sogenannte „Eltern-Taxis“ sein.
Das neue Monats- oder Jahresticket für Schüler:innen und Azubis wird ab August 2021 um fast 30 Prozent günstiger. Das sind 13,30 Euro monatlich oder rund 150 Euro im Jahr weniger. Eine Menge Geld – übrigens auch für den kommunalen Haushalt. Gemeinsam mit der Vergünstigung des Einzelfahrscheins werden für 2021 drei Millionen Euro bereitgestellt – und das obwohl die Vergünstigung erst ab August greift. Das Ticket wird aber günstiger als es vor zehn Jahren war – wo gibt es das sonst?
Das war nicht der erste Schritt – das Senior:innenticket
Bereits vor einigen Jahren wurde das Senior:innenticket eingeführt, welches Menschen ab 65 ermöglicht, ein um 25 Prozent reduziertes Ticket zu erhalten. Dieses kann zwar nicht im morgendlichen Berufsverkehr genutzt werden, wird aber trotzdem angenommen. So haben rund 1.400 bis 1.500 Menschen in Kiel das Angebot angenommen. Für die Stadt entstehen so jährliche Kosten von 200.000 Euro.
Wie geht es weiter?
Zunächst sind wir gespannt, wie das neue Angebot angenommen wird. Eine gute Nachfrage würde auch bedeuten, dass wir weiter am Angebot arbeiten müssen. Auch das günstige Ticket bringt mir nichts, wenn der Bus überfüllt an mir vorbeifährt. Das nächste Ziel haben wir abere bereits im Blick: das Sozialticket.
Günstiger wirds auch für Berufstätige – das Jobticket
Spannend ist auch das neue Jobticket, das ab Mai 2021 greift. Wenn das eigene Unternehmen beim Jobticket mitmacht und 15 Euro des Preises übernimmt, gibt es einen Rabatt von 10 Euro. Arbeitnehmer:innen sparen also 25 Euro im Monat. Wenn der Arbeitgeber sogar 30 Euro hinzugibt, dann folgt ein Rabatt von 20 Euro. Das Monatsticket in Kiel würde dann Beschäftigte weniger als zwei Euro im Monat kosten. Die Stadt Kiel wird dies für seine Beschäftigten anbieten – hoffentlich folgen noch viele weitere Betriebe.